Probefahrt Mercedes X350

Vor ungefähr 1 Jahr hatten wir im Offroadpark Fürstenau die Möglichkeit, ein paar Meter mit der X-Klasse von Meredes-Benz zu fahren. Leider war es nur eine kurze Probefahrt innerhalb der ehem. Kaserne, aber schon diese paar Meter haben uns gezeigt, dass der 3.0 Diesel im X 350 zu den besten Motoren gehört, die es derzeit in Midsize-Pickups zu kaufen gibt!

 

Und bald schon muss man „gab“ sagen, denn wie sich ja mittlerweile rumgesprochen hat, hat die X-Klasse nicht die erwarteten Verkaufszahlen erreicht – deshalb muss dieser Pickup nun bald ersatzlos gehen. Zu oft wird er mit dem Navara von Nissan verglichen, wird behauptet, er wäre nur ein Nissan mit Stern. Beschäftigt man sich etwas näher mit diesem Pickup, vor allem mit dem 350er, dann merkt man, dass eben doch ein wenig mehr dahintersteckt als ein Navara mit Mercedes-Schriftzug.

 

Als mich diese Woche unser Vereinskamerad Herbert angerufen hatte und mir mitteilte, dass er zwei Tage eine X-Klasse zur Probefahrt hätte, brauchte ich nicht lange überlegen und sagte sofort für eine kleine Fahrt zu! So holte er mich gestern Nachmittag ab und wir sind erst mal aus der Stadt rausgefahren. Schon die ersten Meter machen deutlich, dass dieser Sechszylinder-Diesel mit seinen 258 PS vor allem eins macht: Spaß! Die Achtstufen-Automatik schaltet absolut ruckfrei, so im direkten Vergleich zu meinem 3.2 Liter Ranger hätte der Fünfzylinder da keine Chance gegen den seidenweich laufenden Sechszylinder.

 

Wir verlassen die Hauptstraße und biegen auf kleine Nebensträßchen ab. Der Motor ist agil, hängt sehr gut am Gas! Was uns beiden auffällt: Die Lenkung ist wesentlich schwergängiger als z.B. im Ranger! Würde man sich sicherlich dran gewöhnen und nach einiger Zeit nicht mehr merken, aber am Anfang fällt es schon auf. Sie reagiert aber direkt und ist nicht schwammig, wie man es von einigen amerikanischen Pickups her kennt. Wir biegen ab in einen Feldweg, um mal das Allradsystem zu testen. Man ist ja mit permanentem Allrad unterwegs, die Untersetzung ist zuschaltbar, sollte das nicht reichen, ist auch eine 100% - Sperre an der Hinterachse an Bord. So ist man für die meisten Einsätze gerüstet. Die Serienbereifung ist natürlich wie bei fast allen anderen Pickups auf überwiegend Straßenbetrieb ausgelegt, wer ernsthaft ins Gelände fährt oder schlammige Passagen bewältigen muß, der findet im Zubehörhandel Reifen mit groberer Profilierung. Dabei kann man auch gleich überlegen, vielleicht eine Nummer höher aufzuziehen, denn von der serienmäßigen Bodenfreiheit her haben Ford oder Toyota mehr zu bieten. Das Fahrwerk ist angenehm, nicht zu hart und nicht zu weich.

 

Nun haben wir Zeit, mal um die X-Klasse zu schleichen. Je länger man ihn anschaut, umso mehr merkt man, dass doch vieles anders ist als beim Navara. Er ist breiter, Front und Heck sind eigenständig gestaltet. Wobei mir die schmalen Rückleuchten sehr gut gefallen, Herbert nicht so. Ein nettes Gimmick ist die Heckscheibe der Kabine, die auf Knopfdruck zur Seite fährt und öffnet. So was gab´s beim Mitsubishi L200 auch schon mal. Ich mache mir jetzt nicht die Arbeit und suche im Netz nach Daten zum Fahrzeug, da kann jeder selbst googeln. Die Ladefläche ist in Breite und Länge ziemlich gleichauf mit den Mitstreitern, leider gibt es die X-Klasse nur als Doppelkabiner, was vielleicht einige Wohnkabinenfahrer oder gewerbliche Nutzer zur Konkurrenz treibt. Die Trittbretter hängen recht tief und wären bei der Originalhöhe des Pickups nicht wirklich nötig, ich würde die sofort abmontieren. Hinten sitzt man nicht schlecht, auf jeden Fall ist bei einem normal gewachsenen Fahrer die Beinfreiheit hinten echt ausreichend.

 

Wir hatten das Topmodell zur Verfügung mit allerlei Annehmlichkeiten. Dazu gehören natürlich elektrisch verstellbare Vordersitze, viele Helferlein, die heutzutage das Fahren einfacher machen (sollen), das alles in einem hübsch gestalteten Cockpit, bei dem nicht so viel an den Nissan Navara erinnert, dem der X ja entliehen ist. Mercedes hat dem Innenraum seinen eigenen Stempel aufgedrückt, deutlich merkt man das an den Lüftungsdüsen und einigen anderen Kleinigkeiten. Die Ledersitze sind straff gepolstert, aber angenehm zu sitzen. Natürlich sind wir nicht stundenlang gefahren, aber eine Urlaubstour sollte mit dem Gestühl entspannt möglich sein. Da empfand ich die Stoffsitze der einfacheren Version als nicht ganz so angenehm. Die Mittelarmlehne ist viel zu kurz geraten, so entspannt den Arm auf die Konsole legen, geht nicht. Zumindest nicht, wenn man lange Arme und den Sitz ziemlich weit oben hat.

 

Alles, was sonst so an Annehmlichkeiten an Bord ist wie Entertainment, Navi und andere Einstellungen, werden im großen Display angezeigt. Möchte man da was verändern und mit dem Finger auf dem Display rumdrücken, kommt man in meinen Augen zum größten Nachteil des Mercedes: Es ist kein Touch-Screen-Bildschirm! Alles, was verändert werden soll, passiert über den zentralen Hebel in der Mittelkonsole. Der sieht zwar formschön aus, aber selbsterklärend ist er nicht. Da sollte man schon mal die Bedienungsanleitung studieren, bevor man hinter die Geheimnisse der Buchstabeneingabe, Navigationseinstellung und dergleichen steigt – oder sich vor der Fahrt ein wenig damit beschäftigen! Finde ich umständlich und kompliziert, ist bei Ford wesentlich einfacher und selbsterklärender! Kann sein, dass man sich mit der Zeit dran gewöhnt, der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier. Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass man das hätte Benutzerfreundlicher lösen können! Mit dieser gewöhnungsbedürftigen Einstellung haben wir damals schon gekämpft, als wir mit Andi Hurters X-Klasse unterwegs waren!

 

Auf der Rückfahrt testen wir noch die Schaltwippen, die natürlich bei diesem Motor mehr Sportwagenfeeling aufkommen lassen als z.B. beim kürzlich getesteten Mitsubishi L200. Die Bremsen bringen den Pickup ausreichend schnell zum Stehen, packen kräftig zu.

 

Als Fazit kann man nur sagen: Schade, dass dieser tolle Pickup eingestellt wird! Speziell der 3.0 Liter Sechszylinder-Diesel macht richtig Laune, aber das war bei einer Leistung von 258 PS auch zu erwarten. Interessant wäre zu wissen, wie sich im direkten Vergleich dazu der Amarok schlagen würde, der exakt denselben Hubraum und die gleiche Leistung hat. Preislich natürlich kein Sonderangebot, klar. Würde ich eine X-Klasse kaufen, würde ich ihm größere Räder verpassen und ein höheres Fahrwerk. Damit wäre er für alle meine Anforderungen, die ich an ein solches Fahrzeug stelle, perfekt. Zubehör gibt es genug, um ihn zu individualisieren. Schaut man sich z.B. den Zubehörkatalog von Hurter-Offroad an, entdeckt man viele Sachen, um aus dem Benz einen echten Hingucker zu machen. Leider sollte der Geldbeutel dann schon prall gefüllt sein. Da Optik ja immer Geschmacksache ist, kann man da nicht drüber streiten. Wer ihn jedoch mal mit dem Sechszylinder gefahren ist, der bekommt schon ein Grinsen ins Gesicht. Mit der Einstellung dieses Pickups ist das Marktsegment wiederum um ein hubraumstarkes Modell ärmer, viele gibt es nach der Einstellung des 3.2 Liters beim Ranger und dem absehbaren Ende des Amaroks eh nicht mehr. Alles in allem haben bis auf ein paar Kleinigkeiten die positiven Eigenschaften überwogen. (Jürgen Krauß)